& Anti-racism

Dear Friends,

I’m writing because I recently got SUSPECT’s newest press-release in my inbox.  It’s their second in response to the Judith Butler-Ablehnung-Incident, and it calls for solidarity and accountability from white activists in white dominated organizations and institutions:

“Bündnisse sind zentral für emanzipative Projekte, aber wie sähe eine wirkliche Bündnispolitik mit Queer- und Transleuten of Colour aus? Ausgangspunkt jeder Bündnisarbeit sollte die Transparenzmachung ungleicher Machtpositionen, Ressourcen und politischer Definitionsmacht sein, sowie die Verpflichtung, diese radikal umzuverteilen. Welche Anforderungen muss ein Bündnis erfüllen, um machtkritische, produktive und erträgliche Kommunikation und Arbeit zu ermöglichen? Bündnispolitik bedeutet nicht, dass dominante Menschen über oder für „die Anderen“ sprechen, sie unter Vorwänden wie „Solidarität“ oder „Wissenschaft“ retten, sammeln, erforschen oder bevormunden, sie in ungleiche „Dialoge“ zwingen, deren Rahmen und Erkenntnisgegenstand immer bereits vorgegeben sind – von der Kriminalität archaischer, religiöser, patriarchaler und homophober Communities bis hin zur unverschämten Undankbarkeit derer, die sich „dem Dialog verweigern“, wenn sie rassistische Geschichten über ihre Familien und ihre Communities nicht unterschreiben, oder den „DIY-Ethos“ einer Veranstaltung missverstehen, wenn ihnen ein 99% weißes Plenum zu viel ist. Ein Bündnis, das weiße Machtstrukturen abbauen will, muss sich öffentlich dazu verpflichten, die Machtverhältnisse innerhalb der eigenen Gruppe/Organisation/Plena zu ändern. Von zuhören bis sich weiterbilden bis endlich was tun – Verbündetenarbeit ist nicht leicht, aber man muss sie letztlich selbst machen, im eigenen Namen und auf eigenes Risiko. Die tolle Antira-Identität kann hierbei nicht das defensiv verteidigte A und O sein. Letzlich geht es darum, Machtpositionen zu verändern und auch abzugeben.”

And my thoughts are : now is the time.  Watching Butler leverage her white privilege to bring attention to this, seeing the response of queer of color organizations, having longed for a long long time to thematize white-privilege and racism in the feminist and political communities I share with y’all, having discussed this countless times with some of y’all who feel the same way, I keep thinking : now is the time to do it.  Now is the time that we are called to be allies to queer of color groups and to be called to accountability.

I want to propose a project in which we commit to systematically and consistently thematize issues of culture, power, privilege, and racism in our communities.  I sense that many of us are doing this already.  I know that the F.A.Q. has put great thought into how to be a more open and inclusive space, and the ASP conference this year has taken intersections of sexism and racism as a main focus.  I envision something that would frame and encompass these already powerful projects within a larger coalition of white individuals and/or white-dominated feminist & queer groups committed to questioning privilege, ending racism in their communities, and being accountable to people of color communities.

I don’t know so much of the feminist and queer scene in Berlin, but y’all belong to the pocket that I do know, and deeply respect.  I know all of you as white people committed to anti-racist activism, and my sense is that we share a similar genealogy of social justice thought.  I also know that many of us are trained facilitators and workshop leaders looking for more opportunities to hone our skills and do education work. What I imagine as a coalition is not that we form a group and meet a million times to find a consensus on something before acting, but that we DO stuff, all kinds of stuff, about this topic – the stuff that we are already doing, or dreaming about doing, stuff alone, in small groups, wherever, whenever.  What would / could make us a coalition could be that we organize ourselves loosely around the same goals and vision, that we advertise and organize what we are doing as part of a coalition or initiative.

This could look many ways : writing / signing a statement

workshops, discussions, reading groups, parties, performances, art shows, zines, texts

groups doing organizational anti-racism assessment

On topics like : (these are just the ones that spill out of my head)

white privilege and sub-culture in feminist spaces,

what is a safe space?  what does it mean to be an ally?

organizational racism assessment

reading women of color womanists/feminists (reading group)

islamic feminism, islamic feminist perspective on the veil

using the educational activities of queer black scholar (and my personal hero!) alexis pauline gumbs  (http://brokenbeautiful.wordpress.com/) and so many more …

I know I’m afraid to start, afraid to fuck up, afraid of my privilege and power – but we can’t wait for anyone else.  As Alice Walker said, in a very different context, we are the ones we’ve been waiting for.  Coming into meaningful solidarity with organizations of queer and feminist people of color has always been extremely complicated for me and the white-dominated groups I was in – the necessity to balance our accountability to people of color communities without putting burden or responsibility on them to guide us or “educate” us.  To take up responsibility to do that for ourselves.  I think a powerful way of extending solidarity with SUSPECT could be to say – we are doing this, ourselves, for ourselves, and in solidarity with you.

What do y’all think?

(I’m sorry if writing in English makes it hard to understand me… please respond in whatever language(s) you wish).

sending great love from the south,

Melanie

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SUSPECT Pressemitteilung vom 14. Juli 2010

Nach dem Rassismus-Outing: Queer of Colour Kritik kann nicht mehr ignoriert werden, doch bleiben wir mit der Arbeit allein?

Judith Butlers öffentliches Statement gegen Rassismus in der schwullesbischen Community in Deutschland (www.egs.edu/faculty/judith-butler/articles/ich-muss-mich-distanzieren/) hat ein breites Medienecho erzeugt. Das Problem von Rassismus und die Manipulierung rassistischer Debatten zu (Hass-)Gewalt, Kriminalität und Sicherheit durch schwullesbische wie auch Queer- und Transpolitiken erhält zum ersten Mal eine größere Öffentlichkeit. Dabei ist die Debatte um eine Sexualpolitik, die sich ihre Gelder und Öffentlichkeit durch rassistische Stimmungsmache verdient, keineswegs neu. Bislang wurde sie jedoch v.a. von denen geführt, die von Gewalt und Ausgrenzung am akutesten betroffen sind und in queeren, anti-rassistischen und intellektuellen Zusammenhängen am wenigsten vermisst werden. Angela Davis hat recht, dass Butlers Ablehnung zu einem Katalysator werden könnte, um sexuelle und geschlechtliche Bewegungen zu entkolonisieren, und dem Rassismus und der Orientalisierung von Debatten wie der über „homophobe und transphobe Hassgewalt“ ein Ende zu bereiten (www.youtube.com/watch?v=T0BzKCRgnj8). Dennoch stellt sich die Frage, ob und wie dieser Moment, da sich das politische Terrain verändert, die Arbeitsteilung queerer anti-rassistischer Politik neu formieren wird.

Zu bemerken ist, dass im sogenannten „Butler-Eklat“ sowohl Rassismus als auch die Existenz von Queer- und Transleuten of Colour sofort wieder ausradiert wurden. Dass es einer weißen Celebrity bedarf, um einer Kritik, die seit Jahren von ethnisierten Aktivist/innen und Theoretiker/innen artikuliert wird (vgl. www.nohomonationalism.blogspot.com/2010/06/activist-writings-for-organic.html), öffentlichen Wert zu geben, ist an sich schon Ausdruck problematischer Repräsentationspolitiken. Leider blieben viele Diskussionen an der Person Butlers hängen, die entweder als manipulierte Diva, die sich selbst keine Meinung bilden kann, dargestellt oder aber als Ikone einer ebenso unschuldigen wie selbstgerechten queeren Antira-Identität zelebriert wird. Dabei scheinen sowohl etablierte Homo- als auch alternative Queer-Szenen weitaus mehr Energie in die Leugnung von Rassismus und die Marginalisierung seiner Kritiker/innen zu stecken als in anti-rassistische Arbeit selbst.

Bündnisse sind zentral für emanzipative Projekte, aber wie sähe eine wirkliche Bündnispolitik mit Queer- und Transleuten of Colour aus? Ausgangspunkt jeder Bündnisarbeit sollte die Transparenzmachung ungleicher Machtpositionen, Ressourcen und politischer Definitionsmacht sein, sowie die Verpflichtung, diese radikal umzuverteilen. Welche Anforderungen muss ein Bündnis erfüllen, um machtkritische, produktive und erträgliche Kommunikation und Arbeit zu ermöglichen? Bündnispolitik bedeutet nicht, dass dominante Menschen über oder für „die Anderen“ sprechen, sie unter Vorwänden wie „Solidarität“ oder „Wissenschaft“ retten, sammeln, erforschen oder bevormunden, sie in ungleiche „Dialoge“ zwingen, deren Rahmen und Erkenntnisgegenstand immer bereits vorgegeben sind – von der Kriminalität archaischer, religiöser, patriarchaler und homophober Communities bis hin zur unverschämten Undankbarkeit derer, die sich „dem Dialog verweigern“, wenn sie rassistische Geschichten über ihre Familien und ihre Communities nicht unterschreiben, oder den „DIY-Ethos“ einer Veranstaltung missverstehen, wenn ihnen ein 99% weißes Plenum zu viel ist. Ein Bündnis, das weiße Machtstrukturen abbauen will, muss sich öffentlich dazu verpflichten, die Machtverhältnisse innerhalb der eigenen Gruppe/Organisation/Plena zu ändern. Von zuhören bis sich weiterbilden bis endlich was tun – Verbündetenarbeit ist nicht leicht, aber man muss sie letztlich selbst machen, im eigenen Namen und auf eigenes Risiko. Die tolle Antira-Identität kann hierbei nicht das defensiv verteidigte A und O sein. Letzlich geht es darum, Machtpositionen zu verändern und auch abzugeben.

Wenn Queer- und Transleute of Colour bislang mit der Bürde anti-rassistischer Arbeit zumeist allein bleiben, ist es um die Verteilung der Risiken und Erträge nicht besser gestellt. Während sich weiße Leute um den Butler-Kuchen stritten, wurden die von Butler erwähnten Gruppen zu den Zielscheiben des Backlashes. Interessant ist, dass der CSD e.V. diese einerseits mit Butlers Flugkosten kaufen will und andererseits zu den „Schuldigen“ an ihrem Rassismusvorwurf, der scheinbar keiner Antwort bedarf, erklärt. Neben Teile-und-Herrsche-Versuchen zwischen den Vereinen sowie zwischen Transleuten (scheinbar alle weiß) und Queers of Colour (scheinbar alle geschlechtskonform) fällt v.a. auf, wie der CSD e.V. Butlers klare Worte auf ein persönliches Problem, das einzelne Queers of Colour scheinbar mit einzelnen weißen Funktionären haben, reduzieren will, und hierdurch auch wieder seine homonationalistischen Loyalitäten bezeugt (www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/als-frau-butler-ablehnte/www.csd-berlin.de/index.php?m=25&id=257&UID=ae244cb2c9bf21aa86cd12f36428d642&UID=ae244cb2c9bf21aa86cd12f36428d642&UID=1f4fed4218d15141d1fd17c0b5b9d717, www.nohomonationalism.blogspot.com/2010/06/judith-butler-lehnt-berlin-csd.html – vgl. Kommentare von Bodo Wiese und Ammo Recla).

Unterdessen sind wir mit den eigentlichen Aufgaben konfrontiert. Wie kann die neue Sichtbarkeit von Rassismus als Problem, das schwullesbische, Queer- und Transgender-Szenen durchzieht, uns in progressivere Richtungen bewegen? Neben der manipulierten Moralpanik über „homophobe Migranten“ und einer Hassindustrie, in der einige auf Kosten vieler profitieren, dürfte der Ausspruch der CSD-Moderatoren „Ihr seid nicht die Mehrheit“ (www.nohomonationalism.blogspot.com/2010/06/judith-butler-lehnt-berlin-csd.html), dessen Echos neben den immer unverhohleren Türpolitiken von Schöneberger Diskos wie dem Connection (www.siegessaeule.de/aktuell/alles-neu-im-connection-auch-die-tuerpolitik.html) auch im ganz normalen Alltagsrassismus in Queer- und Trans-Szenen wiederhallen, hierfür gute Einstiegspunkte bilden. Weiterhin bedarf es eines Outings der globalisierenden Rolle von CSD-Paraden nicht nur als Kommerz-Maschinen sondern auch als Grenzmarkierer zwischen „modernen“ Ländern und solchen, die entweder aufholen oder mit militärischen Sanktionen, Entzug sogenannter „Entwicklungshilfe“ oder Visa- und Einwanderungskontrollen bedroht werden müssen. A propos CSD und Kommerzialisierung bleibt auch offen, ob sich die derzeitige Stonewall-Nostalgie in Anti-Gentrifizierungs und –Militarisierungsbewegungen verwandeln wird. Während in New York reiche weiße Schwule private Bullen einsetzen, um Queer und Trans of Colour Street Kids von den Christopher Street Piers zu räumen, werden Kreuzberg, Neukölln und Schöneberg zu den Tatorten einer Hassgewaltdebatte, welche die rasche Verdrängung und Kriminalisierung von Leuten of Colour aus diesen Bezirken normalisiert und beschönigt. Wie verhält man sich gegenüber Kiezen, nachdem man sie als „unsere Kieze“ vereinnahmt hat? Was trägt man neben steigenden Mieten, Ethno-Konsum und politisch korrigiertem Polizei-Einsatz zu ihnen bei? Es bleibt abzuwarten, wer diese Fragen zu den eigenen machen wird.

SUSPECT, 14. Juli 2010

includes video of Angela Davis’ responding to the whole incident

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Previous SUSPECT and GLADT press releases

connected to Judith Butler’s refusal of the CSD Civil Courage Prize